2019 wirkte die Welt wie bereits in den Vorjahren wie aus den  Fugen geraten. Nach einem Jahrzehnt der weltweiten kapitalistischen  Vielfachkrise und einem fehlenden, neuen Regulationsmodell, dominiert  unter den Regierenden alternativlos die neoliberale Parole des »Weiter  so!«. Global wurden liberale Freiheitsrechte und soziale Sicherungen  weiter eingedampft, um autoritär die bestehende Ordnung zu sichern. Wir  leben in einer Zeit der Zunahme kapitalistischer Gesellschaften, die  sich der liberalen Demokratie zum Wohle der Profitmaximierung schlicht  entledigt haben. Die zwischenstaatliche Konkurrenz provoziert  protektionistische Abschottungsphantasien und Nationalismen. In  Deutschland sitzt die AfD inzwischen in allen bundesdeutschen  Landesparlamenten. Die CDU diskutiert derweil, ob sie mit der AfD  verhandelt und setzt dabei – begründet auf dem Extremismusmodell – die  Sozialdemokrat*innen der Partei DIE LINKE mit den Faschist*innen der AfD  gleich; und das obwohl die deutsche CDU mit Walter Lübcke inzwischen  ein reeles Opfer zu beklagen hat. So wird die dumme wie gefährliche  Ideologie der Extremismustheorie zunehmend zu einem zentralen  Herrschaftsinstrument.
Die Zunahme rechtskonservativer bis faschistischer Parteien, die  Dominanz rechter und rassistischer Argumentationsfiguren im öffentlichen  Raum und ihre Verankerung im Recht hinterlässt deutliche Spuren auf dem  ganzen Globus: Seenorrettung wurde im europäischen Mittelmeer als  Straftat deklariert, an den europäischen Außengrenzen wurde auf  Geflüchtete geschossen. Antifeministische und homofeindliche Regierungen  schränken Rechte auf weibliche und geschlechtliche Selbstbestimmung  weiter ein. Die militärischen Angriffe der Türkei auf Rojava in  Nordsyrien und im Irak, in Kooperation mit djihadistischen Milizen,  haben eines der lebendigsten Emanzipationsprojekte im Nahen und  Mittleren Osten einen kräftigen Rückschlag verpasst. Faschistische  Bewegungen bekommen weiterhin vielerorts Applaus. In Deutschland ist die  Bedrohung durch den Rechtsterrorismus überwältigend. In den  Staatsapparaten von Militär, Verfassungsschutz und Polizei existiert  offenkundig ein ausdifferneziertes und vielschichtiges Schattennetzwerk.  Gleichzeitig erleben wir neuere Formen des individualisierten  Rechtsterrorismus, wie der antisemitische, rassistische und  antifeministische Anschlag von Halle zeigt. In Frankfurt wurde die  Gefährlichkeit solcher Netzwerke mit dem zögerlichen Handeln der Polizei  angesichts zahlreicher Brandstiftungen gegen linke (Wohn)-Projekte und  das Auffliegen des NSU 2.0 Netzwerkes mit Mitgliedern in den Reihen der  Beamt*innen vom ersten Revier mehr als deutlich. Während der VVN.BdA  seineGemeinnützigkeit abgesprochen bekommen hat und somit kurz vor dem  faktischen Aus steht, existieren extrem Rechte Plattformen wie der  Uniter e.V. weiterhin als gemeinnütziger Verein. Und während es in  Brasilien und Australien brennt, der Meeresspiegel durch das Abschmelzen  der Pole und der Gletscher im Himalaya steigt und gleichzeitig das  Trinkwasser in Indien und anderen Regionen Asiens rar wird, scheitert  der UN-Klimagipfel an kapitalistischen und nationalistischen Interessen  der hegemonialen Industrienationen.
Die Politik in Deutschand zeigt, dass die Lobby etwa der  nationalistischen und chauvinistischen Autoindustrie weiter stärker ist,  als die Forderungen einer immer breiter werdenden Protestbewegung, die  sich für ein Ende des Wachstumsglaubens und eine radikale Verkehrswende  einsetzt.
Doch das Jahr 2019 ist ebenfalls ein Jahr gewesen, das  rückblickend vielleicht als Wendepunkt anzusehen ist. Die Schere  zwischen arm und reich, der Grad des gesellschaftlichen  Möglichkeitspotentials und der realen Wirklicheit, die Polarisierung in  den Gesellschaften ist inzwischen so weit,  dass sich die  verschiedensten emanzipatorischen Kräfte gefunden und verbunden haben.
Das Jahr 2019 ist das Jahr der quantitativ stärksten Entwicklung  von Streiks, Aufständen bis hin zu Revolten seit 1968. Von Südamerika  bis Europa und weiter in den Nahen Osten bis nach Hongkong setzen  emanzipatorische Bewegungen die Regierungen so sehr unter Druck, dass  sie fliehen müssen. Die Fridays-for-future-Bewegung hat nach über einem  Jahr der Bestreikung des Schulunterrichts eine unglaubliche Kraft  aufgenommen. Die vielerorts zu beobachtende Politisierung der Schulen  ist traumhaft. Über 1.4 Mio Demonstrationsteilnehmer*innen gingen für  eine andere Welt ohne Ausbeutung von Natur und Mensch auf die Straße.  »Ende Gelände« organisierte einen enormen Widerstand gegen das  RWE-Kapital. In Frankfurt blockierten über 20.000 Menschen die IAA und  griffen damit direkt das Automobil-Kapital an. Parallel dazu wurde in  Berlin nach Jahren der Mietkämpfe ein Mietendeckel beschlossen und über  die Enteignung von Immobilienfirmen diskutiert. Wir können nur hoffen,  dass die jungen ökologischen, feministischen, migrantischen und  sozialistischen Bewegungen näher zusammenrücken, voneinander lernen und  dadurch eine ernsthafte Alternative anbieten. Nicht ein grüner, pinker  oder sozialerer Kapitalismus steht zur Debatte: Sie wollen eine  alternative Gesellschaftsform. So langsam begreifen mehr und mehr  Menschen in den entfachten Kämpfen, dass es nicht nur um unsere  Reproduktionsbedingungen als Individuen, sondern um die Menschheit im  Ganzen geht. In den Kämpfen erlernen die Menschen einen neuen Bezug  zueinandern, der die Unterschiedlichkeit der Menschen mit ihren  Bedürfnissen ins Zentrum stellt. Es entstehen neue Austauschorte wie an  den Kreisverkehren in Frankreich oder auf den spanischen Assambleas  (Stadtteilversammlungen). Die Menschen stellen sich selbst, die bewusste  Solidarität und Kollektivität über eine technische Rationalität, die  nur dem individuellen Vorteil dient. Die Menschen merken vielerorts,  dass Mitmenschen Garant für ein gutes Leben und nicht Bedrohung  desselben sind, wie es uns reaktionäre Akteure mit ihren Angst- und  Feindbildern glauben machen wollen.
Wir als soziales Zentrum, als kleiner Organisationsansatz in  Rödelheim blicken daher ambivalent auf das Jahr zurück und sind  gleichzeitig hoffnungsvoll für das kommende. In Rödelheim zeigen sich  i.T. diese großen Entwicklungen. Die Gentrifizierung und somit  Vertreibung von Menschen mit geringen finanziellen Mitteln schreitet  weiter voran und ist exemplarisch am Rödelheimer Hochhaus zu beobachten.  Allein der Quadratmeterpreis ist in den letzten drei Jahren bei uns um  mehr als 6% gestiegen, während sich nur bestimmte Löhne gleichzeitig  erhöhen. Auch in Rödelheim verlieren Menschen ihre Wohnung. Diese  zunächst abstrakte Entwicklung forderte hier ein konkretes, menschliches  Opfer: Gažik verstarb am 9./10.Oktober vor  der Sparkasse. Und auch im »Stadtteil ohne Rassismus« wurde zur  Europawahl die rassistische AfD mit 7% gewählt und es ereigneten sich im  Jahreswechsel gleich an zwei Orten Brandanschläge gegen linke Häuser.  Frankfurt wurde Schauplatz des NSU 2.0, was uns gelinde gesagt  verunsicherte.
Um diesen Entwicklungen etwas entgegen zu setzen, haben wir in  diesem Jahr über 80 Veranstaltungen organisiert. Wir hatten  Diskussionsveranstaltungen, Flohmärkte, Kinoabende, Koch- und Barabende,  Workshops, die bei uns im Centro stattfanden. Gemeinsam haben wir  (Kinder-)Geburtstage gefeiert und Demos organisiert und unterstützt.  Beim Rödelheimer Parkfest waren wir ebenso dabei wie bei der Rödelheimer  Musiknacht, der IAA-Fahrraddemo oder dem Gedenken zum 9. November. Bei  uns haben über 100 Plena von selbstorganisierten Gruppen verschiedenster  Richtungen stattgefunden. Die Eltern-Kind-Vernetzung ist ebenfalls  dieses Jahr gewachsen. Wir als Kollektiv haben unsere Strukturen  ausgebaut und sind in dem was wir tun qualitativ besser und  demokratischer geworden. Wir sind zusammengewachsen und sogar auch mehr  Menschen geworden. Es gibt für uns 2020 wahnsinnig viel zu tun und wir  werden langsam aber sicher besser in dem, was wir tun. Es geht weiter  mit der lokalen und überregionalen Vernetzung, dem #Mietenwahnsinn und der Selbstorganisation!
An dieser Stelle einen herzlichen Dank an alle unsere 60  Supporter*innen, die uns finanziell, mit Tatkraft, Ideen und manchmal  einfach mit einem guten Wort beraten haben. Vielen Dank an alle, die uns  kritisieren und solidarisch unsere Praxis kommentieren, damit wir  besser werden können. Vielen Dank an alle, die unser Angebot zur  Selbstorganisierung annehmen und sich auf ihre ganz eigene Weise  einbringen und das Centro als Vernetzungs- und Treffpunkt zu dem machen,  was es ist. Ohne euch hätte all das nicht stattfinden können. Vielen  Dank an unsere Nachbar*innen, die auch mal ein Auge zudrücken, wenns  lauter und voller bei uns wurde und uns in unserem Tun bestärken. Besten  Dank an die Freund*innen vom Klapperfeld, dem Exzess, der Raumstation,  der AU, dem Synnika, OfBase, K&P, den verschiedenen  Solidarischgruppen, dem roten Stern, den vielen Antifaschist*innen, dem  Rödelheimer Geschichtsverein, der Friedensinitiative Rödelheim und den  vielen mehr, die wir hier vergessen haben.
Hoch die revolutionäre Solidarität!
(Bild: ABCPilbara https://www.facebook.com/ABCPilbara/photos/a.10151775801736811/10156674692591811/?type=3&__xts__%5B0%5D=68.ARCIkpmxCgsZ6Rad9wt3sNGsCnMdWAeJprdezn6BhglrzgrTsOv07xK2mllyYgoRhuHHNHAuFB_OSKjSY67vB9y1ns4PXRfqhno07AOjDSiEsUf7GkwF5YGUlPmDB0AqD4ExxiPUB0TckeoxWUNI3bNpIA69ni1UGU5vnMnqkldxxMpdt2YLUh4LPgpr8cw5vBvY6rZJ6p8l3ATXZRXW5qwq_EJBV0toSBvKbniv-GuCdsJvCihGsi-ihyRZFHI2GObNYSQHEOPsSasAgggExEuEkThqG9cOgMWs8X2ivoEl6eu7R7y5XVUWYpPVivnw05nHzQKz9uLoQOxtGF6-&__tn__=-R)